Taiwan liegt geographisch genau am Übergang der gemäßigten Regionen des eurasischen Kontinentalklimas und der tropischen Zonen. Daher ist Taiwan ein günstiger Lebensraum für Tiere aus beiden Klimazonen, was einer der Gründe für die außerordentliche Artenvielfalt dieser Insel ist. In der Tierwelt Taiwans gibt es 450 Vogelarten. Damit steht die Dichte der Vogelarten in Taiwan weltweit an zweiter Stelle. Außerdem existieren 1264 Meeresfischarten, 150 Süßwasserfischarten, 60 Säugetierarten, 30 Amphibienarten und ca. 90 Reptilienarten. 21% dieser Tierarten sind endemisch (nur in dieser Gegend vorkommend). Von den Insekten sind bislang 17 000 mit Namen verzeichnete Arten bekannt, insgesamt gibt es aber wohl zwischen 45 000 und 200 000 Insektenarten in Taiwan. Darunter gelten etwa 65% als endemisch.
Leider wurde die reichhaltige Tier- und Pflanzenwelt Taiwans in den vergangenen Jahrzehnten durch die wirtschaftliche Entwicklung und die Bevölkerungszunahme stark in Mitleidenschaft gezogen, so daß einige Tier- und Pflanzenarten inzwischen vom Aussterben bedroht sind. Doch schon im Jahr 1972 legte das Innenministerium den Grundstein für den Schutz der Tierwelt Taiwans und verbot die Jagd von 45 Säugetier- und Vogelarten sowie die Ausfuhr ihrer Produkte.
Seit fast 25 Jahren wird in Taiwan mit neuen Gesetzen und Projekten der Notwendigkeit des Artenschutzes Rechnung getragen. Besonderes Gewicht kommt dabei dem "Gesetz zur Erhaltung des kulturellen Erbes" von 1982 zu, in dem 11 Pflanzenarten und 23 Tierarten aufgelistet wurden, die vom Aussterben bedroht sind und seitdem den Schutz des Gesetzes genießen. Gleichzeitig wurde die Rechtsgrundlage für die Einrichtung von Naturschutzgebieten, von denen heute über 20 auf Taiwan existieren, geschaffen. Seit 1984 wurden sechs Nationalparks gegründet, in denen verschiedene Programme zur Aufzucht und Auswilderung bedrohter Arten durchgeführt werden. Als Reaktion auf Sanktionen ausländischer Regierungen, insbesondere der USA, auf gerechtfertigte Kritik von internationalen Organisationen und Wissenschaftlern, die sich im Tier- und Artenschutz engagieren, aber auch durch Medienwirbel haben seit vielen Jahren Regierungsstellen und private Initiativen in Taiwan das Thema weltweiter Artenschutz auf die Tagesordnung gesetzt. Das blieb nicht ohne Folgen.
Auswilderungprogramme zeigen erste Erfolge. Mit dem Sikahirsch-Projekt im Kenting-Nationalpark im Süden Taiwans beispielsweise wurde der Bestand der Sikahirsche (cervus nippon) gesichert und bereits zehn Tiere in die freie Natur entlassen, um dort eine neue Population zu etablieren. Engagierte private Organisationen haben Initiativen gestartet, um Lebensräume einheimischer Tiere und Vogelschutzgebiete zu erhalten, wie zum Beispiel das Feuchtgebiet in der Nähe der Stadt Tainan, das den Schwarzgesichtigen Löffelreihern (platalea minor) zum Überwintern dient.
Durch die Umsetzung des 1989 verabschiedeten "Gesetzes zum Schutz von wilden Tieren", das 1994 novelliert wurde und zu den strengsten Naturschutzgesetzen in Asien zählt, sind Rhinozeroshorn und Tigerpenisse aus den Apotheken für traditionelle chinesische Medizin in Taiwan verschwunden. Der Handel oder Besitz von Teilen oder Produkten der im Rahmen des Gesetzes geschützten Tiere wird mit bis zu sieben Jahren Haft und Geldstrafen von umgerechnet über 100 000 DM geahndet. 1995 haben die USA daraufhin ihre gegen Taiwan verhängten Sanktionen aufgehoben. Mitte 1996 wurde Taiwan auch von der Schwarzen Liste der Länder, die massiv gegen das Washingtoner Artenschutzabkommen verstoßen, gestrichen.
Vom Schwarzgesichtigen Löffelreiher (platalea minor) leben weltweit nur noch wenige hundert Paare. Etwa zwei Drittel dieser Löffelreiher kommen jedes Jahr zum Überwintern von Sibirien nach Taiwan.
Die Verwendung von Bärengalle als Heilmittel in Taiwan wurde in den internationalen Medien und Tierschutzorganisationen viel diskutiert. Weil Taiwan oft dafür angeprangert wurde, hat die Kommission für Landwirtschaft, die in Taiwan für den Natur- und Artenschutz und die Einhaltung der betreffenden Gesetze und Verordnungen zuständig ist, zusammen mit dem Gesundheitsamt der Republik China erfolgreiche Aufklärungsarbeit geleistet. 1994 richtete das Gesundheitsamt einen gezielten Appell an die in der traditionellen chinesischen Medizin tätigen Ärzte, von der Verordnung von 13 Medikamenten, die aus Tieren hergestellt werden - unter anderem eben auch Gallensekret von Bären - Abstand zu nehmen und die in Taiwan handelsüblichen Ersatzstoffe zu verwenden.
Die Einfuhr und Verwendung von Bärengalle völlig zu unterbinden ist jedoch problematisch: Im Washingtoner Artenschutzabkommen ist der Amerikanische Schwarzbär nicht als vom Aussterben bedrohtes Tier aufgeführt. Die Regierungen in den USA und Kanada erlauben die Jagd von jährlich 40 000 dieser Bären, und unter bestimmten Bedingungen auch den Export der Tiere oder Teile davon. Zwar wurden in taiwanesischen Labors aufwendige Verfahren entwickelt, um genau feststellen zu können, ob die Gallensekrete von Amerikanischen Schwarzbären oder von den in der Liste der CITES (Convention on International Trade in Endangered Species = Konvention über den internationalen Handel mit bedrohten Arten) aufgeführten bedrohten Bärenarten stammen. Schmuggel und Schwarzhandel sind jedoch unter diesen komplizierten Ausgangsbedingungen schwer zu kontrollieren.
Um die Resultate des Natur- und Artenschutzes darzulegen sowie die Menschen für die Schönheit der Natur zu sensibilisieren und sie so zu einem Beitrag zu ihrem Schutz und Erhalt zu ermutigen, wurde der Versuch gestartet, Wissenschaft und Kunst in dieser Aufgabe zu vereinen. In München und Umgebung wurden auf Initiative der Presseabteilung des Taipei Wirtschafts- und Kulturbüros zu Beginn des Jahres 1996 zunächst zwei Fotoausstellungen organisiert, die jeweils von Vorträgen bzw. Symposien zum Thema Natur- und Artenschutz begleitet waren. Die Veranstaltungen hatten auch einen Informations- und Erfahrungsaustausch mit Wissenschaftlern aus anderen Ländern zum Ziel.
Eine Fotoreihe des Fotografen Lee Wen-gui, der sich seit fast zwanzig Jahren mit dem Ablichten von Insekten beschäftigt, machte den Anfang. Sie wurde zusammen mit Teilen der Fotoausstellung "Seltene und geschützte Tiere Taiwans" von Yeh Ming-yuan anläßlich des jährlichen bayerischen Entomologentages in der Zoologischen Staatssammlung einem interessierten Publikum von über 250 Personen gezeigt. Zwischen Gästen aus Taiwan, Organisatoren in München und Teilnehmern der Veranstaltung sowie Wissenschaftlern der Staatssammlung entspann sich ein reger Austausch.
Bei einer Vortragsveranstaltung in München wurden großformatige und farbenprächtige Fotos von Yeh Ming-yuan ausgestellt. Sie zeigten außer seltenen und geschützten Tieren Taiwans auch Naturparks und Aktionen wie die Rückführung von Orang-Utan-Babies in ihre Heimat Indonesien sowie Aufklärungsaktionen innerhalb der Bevölkerung durch Verbrennung von beschlagnahmtem Elfenbein, Rhinozeroshorn und Pelzen und anderen Produkten geschützter Tiere. Eine Biologin des Deutschen Tierhilfswerks, das sich bereits in Taiwan mit einer Aktion gegen die Verwendung von Bärengalle engagiert hatte, hielt bei dieser Gelegenheit ein Referat über Tier- und Artenschutz in Taiwan.
Für die über 120 Fotos war der 40jährige Fotograf aus Taiwan 12 Monate kreuz und quer durch die Insel gereist und hatte alle Naturschutzgebiete und Auswilderungsstationen besucht. Das Ergebnis seiner Geduld und Mühe sind ausdrucksstarke Großaufnahmen von seltenen Tieren, wie der Kokosnußkrabbe (birgus latro), der Formosa-Felsenaffen (macaca cyclopsis) und des scheuen Sikahirsches, um nur einige zu nennen. Die Begeisterung der Betrachter konnte der Fotograf bei der Ausstellungseröffnung persönlich miterleben.
Die Deutsch-Chinesische Gesellschaft e. V. in Bonn und die Presseabteilung des Taipei Wirtschafts- und Kulturbüros in München haben im September 1996 in verschiedenen Veranstaltungen deutsche und taiwanesische Wissenschaftler in Tagungen zusammengebracht. Mit einbezogen wurden junge Künstler des Landes mit ihren unterschiedlichen Werken, um ein facettenreicheres Bild der Maßnahmen Taiwans im Artenschutz und das Engagement in der Bevölkerung zu zeigen.
In Bonn fand ein Symposium zum Artenschutz im Museum Alexander Koenig unter Mitwirkung deutscher und taiwanesischer Professoren und des Leiters der Artenschutz-Behörde Taiwans statt. Im Anschluß daran wurde in München in der Zoologischen Staatssammlung die Tagung "Taiwan - Natur- und Artenschutz" mit der Ausstellung "Einheimische Tiere in Zeichnungen und Papierfaltarbeiten junger Künstler aus Taiwan" veranstaltet. Die in dieser Form außergewöhnliche Symbiose von Wissenschaft und Kunst zum Thema Artenschutz erwies sich auch als eine für die Zukunft vielversprechende Idee.
Das Symposium, geführt von Prof. Pei vom Staatlichen Polytechnischen Institut Pingtung und seinen taiwanesischen und deutschen Kollegen, wurde von einer Diskussionsveranstaltung und vor allem mit der Eröffnung der Ausstellung unterschiedlicher Werke der sieben Künstler aus Taiwan abgerundet. Jeder der Künstler und Künstlerinnen hat einen ganz individuellen Beitrag zur Erhaltung der Tierwelt Taiwans mit den unterschiedlichsten künstlerischen Mitteln geliefert.
Beginnen wir unseren Rundgang bei den über 30 Papierfaltarbeiten und -skulpturen des 19jährigen Hong Hsin-fu. Hong, der schon als Kind Tiere aus Papier faltete, hat es zu erstaunlicher Kunstfertigkeit gebracht. Die Heuschrecke scheint gleich von ihrem Podestchen springen zu wollen, die Spinne hängt wirklich an einem hauchdünnen Papierfaden, und die winzigen Tierzeichen des chinesischen Horoskops wirken absolut naturgetreu. Zum einen nutzt Hong die chinesische Tradition, aus Papier Kunstwerke herzustellen, denn seit Generationen werden in Taiwan den Toten Gegenstände des täglichen Lebens in Papiernachbildung mit ins Grab gegeben. Zum anderen macht er sich die moderne Vielfalt der Beschaffenheit und die farbliche Gestaltung von Papier für seine komplizierten Werke zunutze. Obwohl Hong Autodidakt ist, wurden seine Arbeiten schon auf zahlreichen Ausstellungen gezeigt. Er hat eine Reihe von Büchern über chinesische Papierfaltkunst veröffentlicht und in einer eigenen Fernsehserie ein breites Publikum damit vertraut gemacht. Gerade hat er in Taiwan den ersten Verein für Papierarbeiten gegründet und konnte anläßlich der Ausstellung in München zu dem dort ansässigen Verein erste Kontakte knüpfen.
Bei den Naturzeichnungen bestehen die Werke von Chiu Chen-tsung durch ihre vielfältigen Ausdrucksformen. Da sind zum Beispiel einfache Bilder in kräftigen Farben, die es Kindern leicht machen, die dargestellten Tiere zu erkennen. Chiu wurde in diesem Jahr mit dem Literaturpreis für Kinderbuchillustration in Taiwan ausgezeichnet. Seine exakten, kleinformatigen Federzeichnungen dienen dagegen ganz der wissenschaftlichen Dokumentation des einzelnen Tieres.
Bei der Betrachtung von Lai Chi-jens Eulenbildern spürt man die Atmosphäre von Dunkelheit und Mystik, die wir gerne mit diesen seltenen Vögeln verbinden. Ganz anders präsentiert er dann den Marien- und Hirschkäfer: In moderner Art gemalt, doch farblich und plastisch völlig naturgetreu. Lai stellte seine vielfältige Begabung auch bei der Gestaltung von Briefmarken und Telefonkarten mit Motiven von Vögeln, Meeresschildkröten und Wäldern unter Beweis. Sein außergewöhnliches Talent wurde mittlerweile mit einer Auszeichnung für die Illustration eines wissenschaftlichen Buches über Vögel gewürdigt. In München bestand reges Kaufinteresse für seine Werke, doch der Künstler wollte sich nicht von ihnen trennen.
Ganz vom wissenschaftlichen Zeichnen sind die Bilder von Chen Yi-ming geprägt (siehe auch Freies China Jan./Feb. 1994). Auch er begann sich bereits als Jugendlicher für das Zeichnen von Tieren zu interessieren und wanderte zu Studienzwecken stundenlang in den Sumpfgebieten in der Nähe seines Heimatortes umher. Außer dem Malunterricht in der Schule hat Chen nie eine künstlerische Ausbildung genossen. Die Natur war und ist sein bester Lehrmeister. Seine lebensgroßen Bilder des Mikadofasans (syrmaticus mikado) und Swinhoefasans (lophura swinhoii), die in Taiwan beide geschützt sind, fanden in der Ausstellung besondere Beachtung. Heute ist Chen Beauftragter der Wildbird Society in Taiwan und kann durch seine Tätigkeit am Forschungsinstitut für Forstwirtschaft wissenschaftliches und künstlerisches Arbeiten miteinander verbinden. Doch Chen will gar kein Künstler sein: Er will vielmehr seinem Anspruch gerecht werden, die Menschen zu Respekt vor der Natur und Schutz ihrer Schönheit zu ermahnen. Dies ist ihm in der Ausstellung in München sicher gelungen.
Bei den feinen Federzeichnungen mit schwarzer Tusche des knapp dreißigjährigen Nian Gwo-long, einem Absolventen einer Fachschule für Kunsthandwerk, glaubt man förmlich das weiche, aufgeplusterte Federkleid seiner Vögel zu spüren.
Frau Huang Shu-fen, die am Forschungsinstitut für endemische Arten in Taiwan tätig und Redakteurin einer Fachzeitschrift ist, arbeitet ebenfalls mit Tusche, bemerkenswerterweise jedoch nur, wenn sie Säugetiere darstellt, wie den China-Sonnendachs. Ihr Spezialgebiet sind Bilder endemischer Vogelarten und Unterarten, die sie in farbiger Mischtechnik ausführt.
Nachtfalter und Insekten sind sowohl in der Wissenschaft als auch in der gestalterischen Tätigkeit das Gebiet von Dr. An-li Kluge-Yao, die in München lebt. Ihre wunderschönen Zeichnungen, zu denen sie Tusche und Wasserfarben verwendet, führen uns abschließend deutlich vor Augen, daß nicht nur die bunten Vögel und die kuscheligen Säugetiere, sondern auch die auf den ersten Blick von der Natur nicht so attraktiv ausgestatteten Tiere schützenswert sind.